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Reiten L³ - Schulung des Reiters - Bedingte Reflexe

Es wird ja immer sehr viel über die Reiterei geschrieben und es wird auch allerlei Sinniges und auch Unsinniges dabei verzapft. Das soll aber nicht mein Thema sein.

 

Mich irritiert bei all den vielen Ratschlägen und Anwendungsempfehlungen unter anderem ein Punkt:

 

Weshalb wird so wenig über die Körperschulung des Reiters geschrieben. Glauben Reiter ernsthaft, dass ihnen von der Natur die Fähigkeit zu reiten in die Wiege gelegt wurde und nur das Pferd etwas lernen muss? Ich bekomme immer wieder den Eindruck. Es gibt unzählige Vorschläge und noch viel mehr technische Hilfsmittel, wie man ein Pferd "ausbilden" soll und ausrüsten muss.

 

Meine Erfahrung hat mich gelehrt, dass man einem Pferd NICHTS, dem Reiter hingegen ALLES beibringen muss. In dem Moment, da der Reiter den korrekten Sitz, zügel- und bügelunabhängig, begriffen hat beginnt sein Pferd wie von selbst Muskeln aufzubauen und ist in der Lage mit zunehmender Kraft immer mehr Lektionen zu bewältigen.

 

Was also wäre naheliegender, als die Reiter zu schulen, ihnen den korrekten Sitz zu vermitteln und sie erleben zu lassen, wie einfach dadurch der Umgang mit einem Pferd werden kann. Leider ist es so nicht, denn es gibt leider viel zu wenig Reitlehrer, die selbst den korrekten Sitz begriffen haben und die es selbst können, sind oftmals nicht in der Lage - oder wollen es auch nicht - dieses Wissen und Können weiterzugeben.

 

Ähnlich verhält es sich mit einem Lernphänomen, über das ich noch gar nie einen Reitlehrer - egal auf welchem Level - habe referieren hören. Im Gegenteil, wenn ich dieses Thema angesprochen habe, erntete ich regelmäßig staunende Blicke und manchmal auch das Eingeständnis, sich noch nie mit diesem Bereich des Reitenlernens befasst zu haben.


Ich rede davon, dass Menschen in ihren Reaktionen im Vergleich zu einem Fluchttier wie dem Pferd unendlich langsam reagieren. Menschen neigen dazu, über Abläufe und Vorgänge nachzudenken und sie dann umzusetzen. Das führt beim Reiten zu fatalen Folgen und oftmals sogar zu Katastrophen. Ich rede über die bedingten Reflexe. Ich habe diesen Reflexen in meinem Buch

 

"L³ - Locker. lässig, losgelassen - ein Tor zum Reiten" ein mehrseitiges Kapitel gewidmet, dass ich einfach mal hier ein- und damit wenn es sein soll, auch zur Diskussion stelle.

 

Bedingte Reflexe

 

Eine der wichtigsten und viel zu selten betonten Aufgabe des Reiters ist es, möglichst viele seiner Hilfen zu bedingten Reflexen werden zu lassen.

 

Bedingte Reflexe sind meist lebenswichtige und gesundheitserhaltende Reaktionen eines Organismusses auf Bedrohungen. Wenn ein Fremdkörper, mag er auch noch so klein sein, auf ihr Auge zu fliegt, schließt sich ihr Lid in atemberaubender Geschwindigkeit, ohne dass sie auch nur einen Gedanken daran verschwenden müssen.

 

Auch die Reaktionen des Gleichgewichtes gehören zu den bedingten Reflexen und müssen in manchen Bereichen umgeschult werden, wenn ein Mensch sich auf ein Pferd setzt.

 

Beim Reiten ist es von größter Wichtigkeit, dass sie möglichst viele ihrer korrekt geschulten und angewandten Hilfen zu bedingten Reflexen werden lassen, denn nur dann haben sie jemals eine Chance schnell genug auf Abweichungen und Irritationen zu reagieren.

 

Sie können das allein tun, doch ich garantiere ihnen, dass sich Fehler einschleichen und diese Fehler müssen irgendwann wieder „entlernt“ werden, denn sie führen zu weiteren Fehlern, zu weiteren Irritationen. Kaum jemand besitzt so viel Selbstkontrolle und so viel Selbstdisziplin, dass es ihm gelingt, alle kleinen und großen Sünden der Reiterei außen vor zu lassen. Das tückische an der Sache ist, dass Aktionen, die uns leicht fallen, sehr schnell zu bedingten Reflexen werden. Aktionen hingegen, die uns weniger leicht fallen, müssen sorgfältig geschult werden um zu einem bedingten Reflex zu werden. Die Anzahl der korrekten bedingten Reflexe macht sehr häufig den Unterschied zwischen einem guten und einem weniger guten, einem erfolgreichen und weniger erfolgreichen Reiter aus.

 

Ein Beispiel:

 

Wenn sie eine Hand, meinetwegen die Rechte, von ihrem Körper wegnehmen, ist es aus Gründen der Erhaltung des Gleichgewichts nur natürlich, dass ein bedingter Reflex ihres Körpers der Linken befiehlt, dasselbe in die andere Richtung zu tun. Damit stellt ihr eigener Gleichgewichtssinn das natürliche Gleichgewicht wieder her.

 

Beim Reiten stellt diese Handlung aber einen fatalen Fehler dar. Ein Reiter muss also lernen, seine natürlichen Reflexe in einer ganzen Reihe von Funktionen umzuschulen. Glauben sie wirklich, dass dies ohne die Hilfe eines sachkundigen Trainers möglich ist?

 

Ich denke eher nicht.

 

Bedingte Reflexe entstehen zum einen aus den körpereigenen Schutzfunktionen heraus und zum anderen durch Wiederholungen. Wenn sie eine Übung in einer bestimmten Situation immer wieder ausführen, wird diese Übung zum bedingten Reflex. Wird sie aber sie falsch ausgeführt, entsteht auch ein kaum mehr kontrollierbares Fehlverhalten. Deshalb ist es wichtig so lange unter Kontrolle zu reiten, bis sich die richtigen bestimmten Reflexe entwickelt haben. Das Vertrackte am Reiten ist, dass viele der Reflexe, die wir erlernen müssen, sich nicht mit unseren angeborenen Schutzreflexen decken.

 

Ein Beispiel:

 

Sie sitzen auf ihrem Pferd und dieses erschrickt vor was auch immer und tut einen Sprung zur Seite und nach vorne.

 

Ihre angeborenen Reflexe befehlen ihnen sofort:

 

„Festhalten!

 

Sie klemmen also die Beine zu und halten sich am Zügel fest. Nun wird allerdings beim Pferd eine Reihe von Reflexen ausgelöst. Zunächst eine Panikreaktion wegen ihrer klemmenden Beine und dann auch noch eine Schmerzreaktion wegen ihrer Hand, beide Reaktionen lösen zusätzliche Fluchtinstinkte aus. Ein Sturz rückt rasch in den Bereich des Möglichen.

 

Eine noch viel häufiger vorkommende Situation ist das Auflaufen auf ein Hindernis. Einfachstes Beispiel, sie wollen eine Volte reiten und kommen am Ende zu nahe an die Bande. Die meisten Reiter folgen nun ihren körpereigenen Schutzreflexen und sagen durch Festhalten am Zügel und durch nach vorne kippen des Körpers dem Pferd es soll stehen bleiben. Dann bereinigen sie die Szene und beginnen neu zu reiten.

 

Richtig geschulte bedingte Reflexe aber hätten den Reiter vermehrt sich aufrichten lassen, ihn auf die Hinterhand seines Pferdes fixiert und ihn eine treibende Hilfe geben lassen, also Gas geben statt bremsen.

 

Warum?

 

Ganz einfach. Sobald ein Pferd steht, ist es nicht mehr zu lenken. Nur ein sich bewegendes Pferd lässt sich lenken. Wird darüber hinaus auch noch die Vorhand belastet, bleiben nur noch zwei Optionen der Richtungsänderung:

 

Rückwärtsrichten oder Vorhandwendung.

 

Beide Lektionen sind nur aus der Ruhe heraus ausführbar. Wenn sie aber ihr Pferd vorwärts reiten und die Hinterhand fordern, haben sie alle Optionen, die sie sich nur wünschen können. Auf der Hinterhand kann ein Pferd auf einem Bierdeckel wenden, von einer tragenden Hinterhand aus sind Sprünge in nahezu alle Richtungen möglich und auf der Hinterhand kann man ein Pferd stoppen, ohne in Gefahr zu laufen, dass man herunter fällt.

 

Solche Reflexe und viele andere mehr kann man entweder schulen, indem man ganz bewusst Gefahrensituationen entstehen lässt und sie dann Kraft seines überlegenen Geistes bewältigt oder aber man übt sie unter der Anleitung eines guten Reitlehrers oder Trainers. Der zweite Weg ist der gesündere und fast immer kostengünstigere Weg.

 

Noch ein wichtiger Punkt zu den bedingten Reflexen.

 

Einer der wichtigsten Reflexe eines jeden Lebewesens ist die Atmung. Wir Menschen – und nicht nur wir – neigen dazu unter Belastung und Stress den Atem anzuhalten. Damit erhöhen wir die Spannung auf einem der wichtigsten und zentralen Muskelpakete für alle Flucht- und Meidbewegungen, dem Zwerchfell. Die Spannung und Entspannung des Zwerchfells und eine absolut gleichmäßige Atmung sind ungeheuer wichtige Voraussetzungen für ein lockeres und entspanntes Reiten. Ein guter Reiter ist in der Lage, den größten Teil einer ganzen Parade über die Anspannung seines Zwerchfells zu realisieren. Das funktioniert aber nur, wenn sie über die Atmung im „Normalbetrieb“ ein entspanntes Zwerchfell haben.

 

Atmen sie und kontrollieren sie ihre Atmung. Entspannen sie sich und wenn sie es nicht anders schaffen, dann singen sie während des Reitens ein Liedchen.

 

Wie gesagt, wenn Sie als Leser anderer Meinung sind, können wir gerne darüber diskutieren. Sachlich natürlich.

Ach ja, wenn Sie das Buch erwerben wollen, müssten Sie das hier tun, denn im Handel ist es nicht erhältlich. Gehen Sie einfach hier  in meiner Homepage auf die Seite "Printspezial - L³ - Tor zum Reiten", dort können sie es online kaufen.